Offener Brief an Ministerpräsidentin - Daseinsvorsorge der Stadt Gera nicht aufs Spiel setzen

 

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht,

 

wir Geraer Landtagsabgeordnete und Mitglieder des Stadtrates wenden uns heute mit diesem offenen Brief an Sie, denn nicht nur die Hochwassersituation und deren Bewältigung lassen viele Geraer nicht positiv in die Zukunft schauen. Die schwierige Finanzsituation der Stadt Gera ist Ihnen bekannt und die Hilfen des Landes werden positiv wahrgenommen.

Umso unverständlicher für uns ist die Positionierung der Landesregierung zum Stadtbahnprogramm des Geraer Verkehrsbetriebes.

Am 19. Dezember 2012, im Beisein von Oberbürgermeisterin Dr. Viola Hahn, informierte GVB-Geschäftsführer Ralf Thalmann über die Fördermittelbewilligung. Demnach fördern Bund und Land den Ausbau des Geraer Straßenbahnnetzes bis 2015 mit insgesamt rund 29 Millionen Euro. Vorgesehen sind in den kommenden drei Jahren der Neubau der Stadtbahnlinie 4 nach Langenberg sowie der Ausbau der Linie-3-Abschnitte nach Bieblach-Ost, in der Wiesestraße und in Lusan. Insgesamt werden im Rahmen des Stadtbahnprogramms durch den GVB und seine Partner rund 55,9 Millionen Euro in eine moderne Verkehrsinfrastruktur für Gera investiert. Alle Haltestellen werden barrierefrei nutzbar sein, damit kann auf den demografischen Wandel im Sinne der Bürgerinnen und Bürger positiv reagiert werden. Die Straßenbahnen sind künftig weitgehend auf eigenen Trassen, getrennt vom Autoverkehr unterwegs. Im Jahr 2012 bereits abgeschlossen wurde der Stadtbahnbau im Abschnitt Hinter der Mauer; die Maßnahme war aufgrund ihrer Dringlichkeit vorgezogen worden. Für diesen Projektteil und für Grundstückskäufe im Vorfeld des Stadtbahnbaus erhielt der GVB einen ersten Zuwendungsbescheid in Höhe von rund einer Million Euro.

Frau Dr. Hahn hat in diesem Zusammenhang wiederholt ihre Auffassung verdeutlicht, dass mit „dem Stadtbahnprogramm… Gera in ein ehrgeiziges Nahverkehrsprojekt“ investiert. „Ziel muss es sein, den öffentlichen Personennahverkehr in der Stadt attraktiv und zukunftssicher zu gestalten.“

Sie äußerte zudem die Erwartung, dass nunmehr zügig und zunächst mit dem dringend notwendigen Ausbau der Trassen nach Bieblach-Ost, in der Wiesestraße und in Lusan begonnen wird. „Das hat Verkehrsminister Christian Carius anlässlich der Übergabe des Fördermittelbescheides ausdrücklich bekräftigt“, erklärte die Oberbürgermeisterin. Das Großprojekt binde in den nächsten Jahren erhebliche Mittel des GVB und des Stadtwerke-Verbundes.

Angesichts dieser öffentlichen Äußerungen der Geraer Oberbürgermeisterin ist es in keiner Weise nachvollziehbar, warum es nunmehr zur Ablehnung einer Bürgschaft der Stadt Gera oder eines Forfaitierungsvertrages für die Sicherstellung der Finanzierung des Eigenmittelanteils des GVB in Höhe von 15,8 Mio. € zum Stadtbahnprogramm Stufe 2 der Geraer Verkehrsbetrieb GmbH durch das Innenministerium und des Finanzministerium gekommen ist. Dies ist umso gravierender, weil damit die bereitstehenden Fördermittel von Bund und Land in Höhe von insgesamt rd. 50 Mio. € nicht abgerufen werden können. 

 

Sehr geehrte Frau Lieberknecht,

wir sehen die Thüringer Landesregierung in der Verantwortung, die bisher getroffenen Zusagen zu erfüllen. Das unprofessionelle Agieren der Oberbürgermeisterin, die ausschließlich von Misstrauen geprägte Zusammenarbeit zwischen der Stadtspitze und der Stadtwerke AG, der ständige Zickzackkurs lassen leider keine klare Richtung erkennen und gefährden viele Arbeitsplätze in Gera. Es braucht jetzt klare und schnelle Entscheidungen zugunsten der Geraer Verkehrsbetriebe und der Stadtwerke AG, damit nicht ungeordnet das große Infrastrukturprojekt samt Antragsteller GVB in die Handlungsunfähigkeit katapultiert wird. Die kommunale Daseinsvorsorge der Stadt Gera mit öffentlichem Nahverkehr, Energieversorgung, Wohnungsgesellschaft und städtische Versorgungswirtschaft wird damit ernsthaft im Gesamtverbund der Stadtwerke gefährdet. 

Sorgen Sie bitte als Ministerpräsidentin dafür, dass über das Innenministerium die Freigabe für eines der Modelle erfolgt und damit der größte zu erwartende Schaden von der öffentlichen Daseinsvorsorge der Stadt Gera abgewendet wird. Handeln Sie ohne Zeitverlust, denn jede weitere Woche des Zuwartens bedeutet geringere Lösungschancen. Sie und auch Frau Dr. Hahn haben beide einen Amtseid geleistet, Schaden abzuwenden.

 

Gera, 01.07.2013

 

Margit Jung, Dieter Hausold, Mike Huster

Mitglieder des Landtages