Offener Brief

Liebe Leserinnen und Leser,


in Zeiten der großen Weltpolitik und Krisen in der Ukraine und im Irak möchten wir Sie auf ein lokales Einzelschicksal aufmerksam machen.
Wenn Sie schon einmal durch die Geraer Innenstadt spazierten, sind sie sicherlich auch durch den Steinweg gekommen, in welchem der Bunte – Steinweg Family e.V. sein offenes Atelier hat. Der 2012 gegründete Verein zeigt den Anspruch, jedem eine offene Plattform zu sein, der sich künstlerisch ausleben will.
Gründungsmitglied des Vereins war unter anderem auch der momentan dritte Vorstand und gleichzeitiger Schatzmeister Marco Schaub. Als Hauptinitiator des Gemeinnützigen Projektes engagierte er sich zwei Jahre für den Verein, befasste sich mit der Öffentlichkeitsarbeit, schuf ein kulturelles Angebot und Netzwerk mit anderen Vereinen und Kunstinteressierten dieser Stadt und tat nach Kräften alles, um den Verein voranzubringen. So verhandelte er
beispielsweise auch mit der GWB Elstertal, dem Vermieter des Vereins, und erwirkte nach vielen Gesprächen und Mühen sehr günstige Mietkonditionen.
Als er jedoch Anfang September aus Berlin zurückkam, erhielt er überraschend eine vermeintliche „Kündigung“ durch den Verein. Offensichtlich hat der übrige Vereinsvorstand die Zeit seiner Abwesenheit genutzt, ihn mit einem ominösen Beschluss zu entlassen. Kurz darauf wurden die Schlösser der Vereinsräume ausgetauscht, sowie Material und Kunstwerke in Größenordnungen entsorgt. Besonders um die Werke und Bilder der Atelierkinder ist es schade und auch respektlos. Marco legte natürlich Protest gegen seine vermeintliche „Kündigung“ ein. Unterstützung bekommt er von seinen Vereinsmitgliedern, die sich inzwischen genauso übergangen und ausgeschlossen fühlen wie er selbst, von vielen anderen Vereinen, Behörden und Künstlern aus Gera. Sogar von Flora Medienwerkstatt-Berlin, erhalten die schikanierten
Mitglieder soziale Beratung, welche Rechte ihnen in diesem Falle zustehen. So forderte der übrig gebliebene Vorstand eine Vollversammlung der Mitglieder ein, um über Marcos Ausschluss zu entscheiden, allerdings ohne die Mitglieder offiziell einzuladen.
Neben diesen vereinsrechtlichen Verfehlungen ist jedoch die Begründung, mit der Marco nach 2 Jahren gekündigt werden soll, am abstrusesten. Er sei, so die Vereinsleitung, „zu politisch“. Tatsächlich schreibt die Vereinssatzung im § 2 die "Förderung der Kunst- und Kultur, der Bildung, Völkerverständigung und Toleranz" vor. Zusammengefasst heißt das,
dass der Verein zu gesellschaftspolitischen Streitfragen im Rahmen der demokratischen Aufklärung kulturell beiträgt. Trotzdem ist es eine berechtigte Frage, wieso Marco, der sich schon über 20 Jahre aktiv für Frieden, Umweltschutz, Demokratie und Soziales engagiert, dies in seinem Leben und Wirken in seinen Kunstwerken auch ausdrückt, als Gründungsmitglied so überstürzt von vier Vereinsmitgliedern rausgedrängt wird.
Auch ist dieser Vorfall kein Einzelfall. Schon des Öfteren wurden Vereinsmitglieder, vorwiegend weibliche, Ziel von Mobbing von Seiten der Vereinsführung und zweier weiterer Mitglieder. So berichtet beispielsweise eine Künstlerin von aufdringlichen Blicken und störenden Bemerkungen. Sie hat sich mittlerweile aus dem Verein zurückgezogen und auch
mehrere andere Mitglieder stehen kurz vor diesem Schritt.
Zusammen mit Marco Schaub möchten wir Sie daher um Unterstützung und Ihr Statement bitten. Der Bunte – Steinweg Family e.V. öffnet zum diesjährigen Höhlerfest anlässlich des 777sten Geburtstags der Stadt Gera seine Türen für Gäste
und Besucher mit dem Ziel, die frei gewordenen Atelierplätze der vertriebenen Mitglieder zu vergeben. Wenn es Ihre Zeit zulässt, unterstützen Sie Marco bitte darin, dass die unvollständige Vereinsleitung, derzeit bestehend aus dem Vorsitzenden John Böhme und seinem Stellvertreter Klaus Nienhold und dem selbst ernannten dritten Vorstand Ronny Leisner ihre Haltung noch einmal überdenken. Der Bunte – Steinweg Family e.V. war bisher ein beliebter und gemütlicher Anlaufpunkt für Künstler und Kunstinteressierte jedem Alters, unabhängig von Ansichten und Meinungen, und trug maßgeblich zur Belebung des Steinwegs und der Stadt Gera bei. Es wäre eine Schande, wenn der Verein durch Vertreibung und Ausschluss der Mitglieder und der von dem vorgenannten Vorstand geplanten Kommerzialisierung langfristig zerstört werden würde.

Linksjugend [‘solid] Gera Gera, 01. 10. 2014